Interview mit Katia Murata Arend – Chancen und Herausforderungen in der Arbeit als offizieller Verein
Unser Verein heißt Mala de Herança em Leipzig e.V. Wir sind eine der Initiativen des weltweiten Netzes Mala de Herança. Leipzig ist unser Haupttätigkeitsbereich, wir versuchen aber auch im Umland aktiv zu werden. Das ist allerdings noch in Planung. Derzeit sind wir ca. 51 Mitglieder, davon engagieren sich ca. acht Personen sehr stark. Der Fokus unserer Vereinsarbeit liegt auf der Förderung der Portugiesischen Sprache, insbesondere bei Kindern, die diese als Muttersprache haben. Mein Mann und ich kommen aus Brasilien. Uns ist es wichtig, dass unsere Kinder die Sprache beibehalten – wir sprechen zuhause zwar Portugiesisch mit ihnen, aber Kinder brauchen dafür auch andere Kinder. 2019 haben wir uns deswegen mit anderen Eltern und ihren Kindern getroffen. Sie haben zwar miteinander gespielt, aber sich meist doch auf Deutsch unterhalten. Es fehlte eine klare Struktur oder ein pädagogischer roter Faden. Als ich dann die Gründerin von Mala de Herança München, Andréa Menescal Heath, kennenlernte, welche dort bereits 2012 diese Initiative gründete, war ich ermutigt, die Idee auch nach Leipzig zu bringen.
In unserer Vereinsarbeit sind Kinder und Jugendliche, sowie deren Familien die Hauptzielgruppe. Es sind allein 42 Kinder aus den Familien unserer Vereinsmitglieder mit dabei. Wir wollen in unserer Arbeit nicht nur Brasilien in den Fokus nehmen, sondern auch alle anderen portugiesisch-sprachigen Länder miteinbeziehen, so zum Beispiel Portugal, Mosambik oder Angola. Für Menschen aus diesen Ländern möchten wir darüber hinaus eine erste Anlaufstelle sein und Orientierung bieten. Das Thema Mehrsprachigkeit bildet dennoch weiterhin den Kern unseres Engagements: Vor allem an Schulen und in Kitas fehlen aus unserer Sicht häufig Informationen dazu. So erreichen uns immer wieder Berichte von Eltern, denen in Schulen gesagt wird, sie sollen zu Hause keine Fremdsprachen mit ihren Kindern sprechen, da diese sonst kein Deutsch lernten. Da ist natürlich Quatsch! Daher wollen wir uns dafür engagieren, dass Mehrsprachigkeit bei Kindern gefördert wird und Wertschätzung erfährt (mehr Informationen dazu gibt es HIER). Mit der Zeit haben wir unser Angebot erweitert, so dass inzwischen auch Erwachsene bei uns Portugiesisch als Fremdsprache erlernen können.
Bei all dem wollten wir eigentlich erst einmal klein anfangen, aber alle Projekte, für die wir Förderung beantragt hatten, wurden genehmigt. Daher sind wir ziemlich gefordert und kommen an unsere Grenzen mit all den Projekten, die wir nun umsetzen müssen: Wir veranstalten ein interkulturelles Familientreffen, Workshops für Jugendliche, Aktivitäten für Eltern und Kinder, ein zweisprachiges Theater, Migrationsberatung, Workshops zu Mehrsprachigkeit und Erziehung, ein weiteres zum Thema Forschung und Wissenschaft inkl. einer Exkursion in den Leipziger Zoo. Und nicht zu vergessen: Portugiesisch-Unterricht! Wir haben festgestellt, dass es viel mehr Arbeit ist als gedacht. Das hatten wir unterschätzt. Die meisten in der Gruppe arbeiten Vollzeit und wir machen die Vereinsarbeit nebenbei. Ich glaube, wir würden den Verein nicht wieder so schnell gründen und am Anfang nicht so ein großes Projekt beantragen. Ich würde kleinere Schritte gehen. Auf der anderen Seite hätten wir dann nicht so viele Erfahrungen gesammelt. In der kurzen Zeit von sechs Monaten haben wir so viel erfahren und gelernt, dass es uns so vorkommt, als wären wir schon seit zehn Jahren ein Verein (lacht).
Aber es war gut und wichtig, einen Verein zu gründen! Wir hatten uns im Vorhinein viel belesen, mussten erst einmal verstehen, was ein Verein überhaupt ist. Das gibt es beispielsweise in Brasilien in dieser Form nicht! Als lose Gruppe kamen wir irgendwann an eine Grenze, an der wir unsere Ziele nicht mehr erreichen konnten. Auch die Finanzierung war ohne Förderung nicht möglich. Als Verein konnten wir all dies viel besser organisieren und strukturieren. Bei diesem Prozess war Beratung für uns extrem wichtig – jemanden an der Seite zu haben, der diese Schritte gut erklärt, in einer einfachen Sprache, nicht nur linguistisch, sondern auch juristisch. Jemand, der einem die Angst nimmt. Denn es ist eine neue Welt, eine ganz andere Welt. Vor allem für Migrant*innen, die hier nicht aufgewachsen sind.
Heute, als Verein, lernen wir uns als Kolleg*innen neu kennen. Wir sind nicht mehr nur Freund*innen, die sich treffen, sondern auch Arbeitskolleg*innen. Es ist nicht mehr nur ein Hobby. Wenn wir wollen, dass der Verein vorankommt, dann müssen wir so vorgehen und arbeiten, als wenn er ein Unternehmen wäre. Wir müssen arbeiten, wir müssen uns organisieren. Wir müssen planen. Es ist eine andere Beziehung in der Gruppe, eine ganz andere Dynamik. Zu trennen, was Arbeit und was Freundschaft ist, fällt nicht immer leicht. Aber dadurch sind wir professioneller geworden und werden auch so wahrgenommen – sowohl gegenüber Förderern als auch mit Blick auf unsere neue Reichweite. Wir erreichen Personen, die wir vorher nicht erreicht hätten. Es kommen mehr Menschen zu unseren Veranstaltungen. Wir sind vernetzt. Auch die Beziehung zur brasilianischen Botschaft hat sich verändert. Wir werden dort nun nicht mehr als Einzelpersonen wahrgenommen, sondern als Institution.
Es ist nur wichtig, klar zu machen, dass Vereinsarbeit wirklich Arbeit ist. Als Gruppe sollte man sich fragen, wer das leisten kann. Es muss auch Spaß machen, aber es ist nicht mehr nur ein Hobby, sondern auch Verantwortung. Dann sollte man sich eine Person suchen, die die Gruppe gut berät. Anschließend langsam, Schritt für Schritt vorgehen. Und erst wenn ein genauer Plan steht, das erste Projekt einreichen.
Verein, das heißt für mich… Arbeit (lacht). Arbeit, aber auch Träume verwirklichen und Menschen helfen.
Steckbrief
Name
Mala de Herança e.V., Leipzig
Adresse
wechselnd
Kontakt
leipzig@maladeheranca.com
instagram.com/maladeheranca_leipzig
facebook.com/maladeherancaleipzig
Vereinsgründung
01/2022
Zielgruppe
Portugiesisch muttersprachige Kinder und Jugendliche (Familien)
Inhaltliche Schwerpunkte
Sprach- und Kulturförderung, Mehrsprachigkeit, Integrationshilfe für Menschen aus Portugiesisch-sprechendem Ausland