Interview mit Kenan Allejji – Vereinsgründung im Kontext von Rassismus und rechten Strukturen in Sachsen
Unser Verein heißt Arabischer Verein für Kultur und Integration in Chemnitz e.V. Wir sind in ganz Deutschland aktiv, besonders in Sachsen. Ganz besonders in Chemnitz. Unser Verein hat ca. 29 Mitglieder aus verschiedenen Ländern: Aus Syrien, dem Libanon, Palästina oder Libyen. Die Menschen sind zwischen 25 und 55 Jahren alt.
Unser Ziel ist es, Migrant*innen bzw. Menschen aus dem arabischen Raum, die neu in Chemnitz sind, zu unterstützen und ihnen bei Unsicherheiten im Umgang mit Behörden oder Ämtern beratend und tatkräftig (Sprachmittlung) zur Seite zu stehen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, unsere Kulturen der Öffentlichkeit zu zeigen! Es gibt so viele schöne Traditionen und kostbare Werte genauso wie hier in Deutschland. Wir möchten, dass sich die Kulturen kennenlernen, voneinander lernen und sich gegenseitig bereichern. Diese Idee wollen wir säen.
Viele unserer Mitglieder haben in ihrer Heimat im Bildungssystem gearbeitet – als Lehrer*innen beispielsweise. Daher sind junge Migrant*innen unsere wichtigste Zielgruppe. Wir helfen bei den Hausaufgaben oder geben Nachhilfe. Vor der Vereinsgründung haben wir all dies bereits ehrenamtlich in anderen Vereinen getan. Der Großteil unserer Vereinsmitglieder hat dabei die deutsche Sprache schnell gelernt – beherrscht sie aber noch nicht komplett (lacht) – so konnten wir damals schon anderen Vereinen, Schulen und Familien behilflich sein.
Es ist jedoch nicht immer leicht. Im August 2018 gab es eine Attacke in Chemnitz. Dabei wurde ein Mann erstochen. Der Flüchtlingsstatus der mutmaßlichen Täter bzw. ihre Migrationsgeschichte rückte schnell in den Mittelpunkt. Nach der Tat wurde sehr rassistisch und verallgemeinernd über Migrant*innen gesprochen. Es gab viel Rassismus (zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierung in Sachsen ist das Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.) in Chemnitz. Aus diesem Grund haben meine Kolleg*innen und ich uns als neue Migrant*innen zusammengefunden. Man wäre dumm, wenn man der Meinung ist, alle Migrant*innen seien schlecht und alle Deutschen seien gut. Das kann man so nicht sagen! Aber dennoch hatten viele Menschen Angst vor uns. Das wollten wir ändern. Wir waren selbst neu in Chemnitz, hatten unsere Reise, unsere Flucht gerade erst geschafft und wollten nicht wieder in Angst und Unsicherheit leben. In unserer Heimat haben wir Krieg erfahren und gesehen, was der Hass in den Ländern macht. Deswegen haben wir uns als Gruppe zusammengeschlossen. Wir möchten uns aktiv gegen Hass, gegen Rassismus und gegen Faschismus stellen! Deutschland ist ein demokratisches Land. Hier gibt es Freiheit und man kann frei sprechen. So können auch wir unser Anliegen formulieren und Haltung zeigen. Denn wir verstehen unsere Arbeit auch als Kritik an der Politik, die uns Migrant*innen sooft als Schachfiguren benutzt. Aber wir sind Menschen! Wir haben ein Recht auf ein gutes Leben! Wir möchten in Freiheit leben und eine gute Zukunft für unsere Kinder. Das ist es, was wir wollen!
(Eine Übersicht migrantischer Vereine und Initiativen in Ostdeutschland gibt es HIER).
Um diese Ziele besser verfolgen zu können, war die Gründung eines Vereins hilfreich. Erst dadurch war es uns möglich, offizielle Unterstützung bei der Stadt zu beantragen. Als Verein ist man schnell gut vernetzt, lernt andere Vereine und Menschen kennen und tauscht sich aus. Das half auch beim Deutschlernen! Durch das Arbeiten im Verein haben wir außerdem viel über das System hier in Deutschland dazugelernt – Rechte, Pflichten, Gesetze. Doch bei all dem braucht es vor allem stetiges Interesse und Zeit. Man muss aktiv bleiben und wissen, welche Ziele man hat und was man mithilfe des Vereins überhaupt anstoßen will. Ich glaube, wir haben das geschafft und sind trotz der schwierigen Bedingungen in Chemnitz als Verein stark. Bevor wir unseren Verein gründeten, fühlten wir uns fremd und kannten niemanden. Inzwischen sind wir ein Teil von Chemnitz – wir sind Chemnitzer! Wir geben unsere Rechte nicht auf, wir kämpfen für sie! Und wir kämpfen auch gegen den Hass, gegen Rassismus und Faschismus. Und können laut sagen: Wir sind hier! Und wir bleiben in Chemnitz! Wir kämpfen für unser Leben! Für Freiheit und Demokratie. Wir wollen ein Teil sein. Wir können sagen: Wir sind da! Jetzt!
Verein, das heißt für mich… gute, ehrenamtliche Arbeit. Darin kann ich mich wiederfinden! Man kann viel lernen, viel erleben, die eigene Stärke zeigen und vielen neuen Menschen begegnen.
Steckbrief
Name
Arabischer Verein für Kultur und Integration in Chemnitz e.V. (Sachsen)
Adresse
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Kontakt
https://www.facebook.com/groups/264031527530182/
Vereinsgründung
08/2018
Zielgruppe
Arabische Community, Insbesondere Kinder und Jugendliche, Interessierte Chemnitzer*innen
Inhaltliche Schwerpunkte
Integration, Migrationsberatung, Bildung, Kulturvermittlung & Begegnung, Sprachförderung, Vorurteilsbekämpfung & Anti-Rassismus